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Pressemitteilung vom 12.02.2025
Wie teilen, was nicht teilbar ist?
Das Vermögensnachfolge-Dilemma
Ein klassisches Problem, vor dem Immobilieneigentümer stehen: Es gibt eine Immobilie, aber mehrere Kinder. Wie sieht die „gerechte" Lösung aus bei lebzeitiger Übergabe oder Vererbung? In der Vermögensnachfolgepraxis gibt es dazu hilfreiche Grundsätze, weiß Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert. Allerdings muss immer jeder Einzelfall geprüft werden.
Hier untersuchen wir eine Konstellation, die häufig vorkommt:
Die Eltern (Ehemann 77 Jahre alt, Ehefrau 74 Jahre alt) sind zu je ½-Anteil Eigentümer eines schuldenfreien Einfamilienhauses im Wert von 600.000 €. Bei einer Vermietung an Dritte würde eine ortsübliche Miete erzielt in Höhe von 24.000 € pro Jahr. Die Gemeinschaftskonten bei der Bank weisen ein Guthaben auf in Höhe von 400.000 €. Es gibt zwei erwachsene Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Beide sind erwachsen und haben ihrerseits Kinder. Die Eltern fragen sich, ob sie das Hausgrundstück schon zu Lebzeiten übertragen sollen oder die Vererbung die bessere Lösung wäre.
Die lebzeitige Übertragung
Die lebzeitige Übertragung kann steuerliche Vorteile bieten. Die Steuer orientiert sich am Wert der Schenkung. Dieser Wert wird reduziert durch Rechte, die sich die Schenker vorbehalten, insbesondere beispielsweise durch Wohnungsrechte oder Nießbrauchsrechte. Vernünftig ist es, nur an ein Kind zu übertragen, weil die Geschwister mit einem Wohnhaus, das ihnen gemeinsam gehört, nichts anfangen können. Hier hat die Tochter Interesse am Elternhaus. Die Eltern übertragen ihr das Eigentum. Sie behalten sich ein Wohnungsrecht vor. Ferner sichern sie sich das Recht, das Eigentum zurückzufordern, falls die Tochter vor ihnen versterben sollte, das Haus verkaufen will oder es zwangsversteigert werden soll. Der Wert des Wohnungsrechts wird ebenso vom Wert der Schenkung abgezogen wie der Wert des Rückforderungsrechts, das sind zusammen rund 300.000 €. Der Schenkungswert beläuft sich also auf 600.000 € - 300.000 € = 300.000 €. Da jeweils nur der hälftige Miteigentumsanteil geschenkt wird, beläuft sich der Schenkungswert pro Elternteil auf 150.000 €. Der Steuer-freibetrag von jeweils 400.000 € wird unterschritten, sodass keine Steuer anfällt. Um den Sohn gleichzustellen und zu vermeiden, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche für ihn entstehen, wird vereinbart, dass die Tochter ihrem Bruder eine Ausgleichszahlung leistet, beispielsweise in Höhe von 1/3 der Schenkungswertes, in unserem Fall somit 100.000 €. Dieser Gleichstellungsbetrag reduziert den Schenkungswert weiter. Der Ausgleichsbetrag, von den Eltern stammend, liegt mit je 50.000 € ebenfalls weit unter dem Freibetrag von 400.000 €, sodass auch dafür keine Steuer anfällt. Statt eines sofort fälligen Gleichstellungsgeldes kann auch vereinbart werden, dass eine Ausgleichung im Erbfall erfolgt, sodass die Tochter nicht mit Liquidität belastet wird. Auch die Schenkung des Bankvermögens der Eltern an den Sohn ist nicht zu empfehlen, damit die Eltern ihre finanziellen Reserven behalten, die sie auch bei freiem Wohnungsrecht möglicherweise benötigen.
Die Vererbung
Die Eltern errichten ein Berliner Testament, jedoch mit der Besonderheit, dass sie im Schlusserbfall, nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten, das Wohnhaus der Tochter zuteilen oder vermachen. Der Nachlass besteht aus dem Hausgrundstück im Wert von 600.000 € und dem Bankguthaben.
Bei der Zuteilung erhält die Tochter mehr, als es ihrem hälftigen Anteil von 500.000 € entspricht. Sie muss deshalb den Wertunterschied von 100.000 € an ihren Bruder bezahlen, sodass dann beide Kinder wertmäßig mit je 500.000 € den Nachlass erben. Der Wert der Erbschaft übersteigt den Freibetrag von 400.000 €, sodass der überschießende Betrag von 100.000 € jeweils versteuert werden muss. Der Steuersatz beträgt 11 %, die Steuer somit 11.000 €. Die Tochter kann allerdings den Anfall der Steuer vermeiden, wenn sie in das Haus der Eltern einzieht und für mindestens zehn Jahre dort wohnen bleibt.
Beim Vermächtnis muss die Tochter den Wertunterschied nicht ausgleichen. Sie erhält also im Ergebnis 600.000 €, der Sohn 400.000 €. Erbschaftsteuer fällt beim Sohn nicht an. Die Tochter muss 200.000 € versteuern mit einem Satz von 11 %, hat also Steuern in Höhe von 22.000 € zu zahlen. Auch hier kann sie durch Einzug in das Familienheim den Anfall der Steuer vermeiden.
Die Entscheidung
Ob eine Übertragung zu Lebzeiten erfolgt oder durch die Erbschaft, ist immer eine sehr individuelle Entscheidung. Dieser Beitrag soll nur einen kurzen Überblick geben, damit der Leser „ein Gefühl" dafür bekommt, welche Möglichkeiten es gibt und worauf es ankommen kann. Eine klare Regelung, die mit den Kindern kommuniziert wird, kann Streit vermeiden. Eines muss auch klar sein: Gerechtigkeit muss nicht zwingend Gleichheit heißen, gerade wenn es um die Übertragung von Immobilien geht.






